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Allgemeines

In unseren Breiten gilt die Bockmühle als älteste Form der Windmühlen. Soweit bislang nachweisbar, liegt der Ursprung dieser Mühlenart in Nordfrankreich, vermutlich im französischen Teil Flanderns. Gegen Ende des 11, Jahrhunderts tauchen dort Angaben über Bockmühlen auf. Im tragenden Balkenwerk der “Nordmolen” in Hondschoote (franz. Flandern) ist noch heute deutlich die Jahreszahl 1127 zu lesen, von der ersten Mühle an dieser Stelle immer wieder ins Balkenwerk der Nachfolgebauten übernommen. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts mehren sich die Nachrichten über Bockmühlen in Flandern, wenig später auch in England.
Es ist somit nicht überraschend, daß diese Mühlenart bald auch nach Deutschland gelangte. Wahrscheinlich handelte es sich bei der als erste in Deutschland belegbaren Windmühle 1222 auf der Kölner Stadtmauer um eine Bockmühle.
In Niedersachsen hat die Bockmühle eine große Verbreitung gefunden und eine der größten Vielfalten an Bauformen hervorgebracht. Über das Aufkommen dieser Windmühlenart in Niedersachsen ist so gut wie Nichts bekannt, mit Ausnahme von ein paar spärlichen Meldungen und Spekulationen. Dennoch ist das heutige Gebiet von Niedersachsen eine der ersten Regionen gewesen, wo die Bockmühle in größerer Verbreitung Fuß fassen konnte.
Im Jahr 1148 soll bereits in Dörverden an der Weser eine Bockwindmühle bestanden haben. Danach fehlen jegliche Meldungen über Windmühlen über einen längeren Zeitraum. Erst Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehren sich die Meldungen wieder, verstärkt in der Region Hannover. 1284 ist ein Hof mit Mühle bei Engelbostel genannt, wahrscheinlich war es eine Windmühle. Um 1300 besaßen die Herren von Bothmer einen Hof und eine Mühle in Stöckendrebber, wobei es ebenfalls eine Windmühle gewesen sein kann. In den Jahren 1304, 1324, 1330 und 1352 ist eine Mühle in Mandelsloh als Lehen des Mindener Bischofs bezeugt. Allen mittlerweile zutagegetretenen Anzeichen zufolge hat es sich dabei um eine Bockwindmühle gehandelt. In dieser Region mehren sich fortan die Nachrichten über Bockmühlen, sie wurden später auch zum Symbol des südöstlichen Teils von Niedersachsen bis zum Harz hinunter.
In den nordwestlichen Teilen Niedersachsens, in Ostfriesland, dem Ammer- und Emsland und dem Oldenburger Münsterland tauchen Bockmühlen erst später auf.
Aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammen Hinweise über eine Mühle des Klosters Marienkamp bei Esens, die offensichtlich eine Bockmühle war. Wahrscheinlich um die gleiche Zeit stand schon eine Bockmühle bei Stapelmoor / Rheiderland, von der vermeldet wird, daß sie 1558 bei einem “ungeheuren Sturmwinde umgeweht wurde”. 
Aus dem 16. Jahrhundert stammen auch erste Meldungen über Windmühlen im südlichen Emsland, also der hier beschriebenen Region, so etwa 1549 aus Lengerich, 1557 aus Lingen, 1560 bei Thuine und kurz vor 1600 aus Biene. Eine größere Verbreitung haben die Bockmühlen im nordwestlichen Teil Niedersachsens zwar früher einmal gehabt, konnten sich durch die hier recht frühe (bald nach 1700) Einführung der Holländermühle im größeren Stil nicht mehr durchsetzen. In den südöstlichen Landesteilen hielt sich diese alte Mühlenart hingegen auch nach der (hier erst wesentlich späteren) Einführung der Holländermühle als ein wichtiger Windmühlentyp. Es erscheint daher nicht ungewöhnlich, daß man in diesen Landesteilen die Bockwindmühle zu einer selten erreichten technischen Vollendung führte und auch hier die letzten Bockmühlenneubauten in historischer Zeit in Niedersachsen entstanden, so etwa 1877 in Sievershausen oder 1878 in Aligse.

Wie ist eine Bockmühle konstruiert ?
Den Namen bekam sie von einem Bockgestell, auf dem das eigentliche Mühlengebäude, der Mühlenkasten, drehbar aufsitzt. Dieses Bockgestell besteht in der Hauptsache aus einem gewaltigen senkrechten Eichenständer, dem “Hausbaum”, der in der unteren Hälfte quadratisch im Querschnitt ist und an allen 4 Seitenflächen durch Schrägstreben (“Kreuzstreben” oder “Standfinken”) abgestützt wird. Die Schrägstreben enden mit ihren Fügen in den sog. “Kreuzschwellen”. Unter den Eingriffspunkten der Schrägstreben in die Kreuzschwellen befindet sich die Fundamentierurig des Bockes, bestehend aus 4 Sockeln aus Feld-, Quader- oder Ziegelsteinen. Die beiden Kreuzschwellen werden im Kreuz übereinandergelegt. Über diesen Kreuzungspunkt greift der Hausbaum mit seinem Fuß herüber. Doch steht der Hausbaum hier nicht auf, der Kreuzungspunkt hält hier lediglich einen Fuß in der Senkrechten. Durch ein Aufstehen des Hausbaumes auf den Schwellen oder gar noch auf der Erde würde das statische System des Bockes verletzt werden. Dieses besteht nämlich darin, daß der Hausbaum die gesamte Last der Mühle in die Schrägstreben und damit über die Enden der Kreuzschwellen in die Fundamentsockel überträgt. Die obere Hälfte des Hausbaumes ist rund bearbeitet. Dort ist der Mühlenkasten an zwei Stellen drehbar aufgehängt. Ein Hausbaum hat eine Länge zwischen 5 und 8 m und einen Querschnitt von etwa 70 x 70 cm. Auf seiner Spitze ist ein Zapfen
abgedreht. Darauf liegt drehbar der Hauptträger des Mühlenkastens, den man “Hammer” nennt und der einen ähnlichen Querschnitt wie der Hausbaum aufweist. Auf den Enden des Hammers liegen die beiden “Mehlleisten” auf, an denen die 4 Ecksäulen des Mühlenkastens angesetzt sind. Der Mühlenkasten hat noch zusätzlich einen unteren Drehpunkt.
Dieser besteht aus dem sog. “Sattel”, aus 4 um den Hausbaum gelegten Balken. Darauf liegen drehbar zwei starke parallele Balken der Unterseite des Mühlenkastens, die man “Wendeleisten” nennt. Die Last ist auf beide  
Drehpunkte unterschiedlich verteilt. Die Hauptlast von etwa 7/8 der Gesamtlast liegt auf der Spitze des Hausbaumes, die Restlast von etwa 1/8 wird an den Wendeleisten auf den Sattel übertragen. Wurde früher eine Bockmühle gerichtet, war es hier die Kunst des Mühlenbauers, das sog. “Sackmaß” richtig berechnet zu haben. Dieses Maß gibt an, wie weit sich die neue Konstruktion des Mühlenkastens im Laufe der Folgejahre noch setzt, wobei nach allen Setzungen das Verhältnis der Auflagerkräfte noch stimmen mußte. Ansonsten wäre mit Überbelastungen der Wende- und Mehlleisten und einem nur schwer drehbaren Mühlenkasten zu rechnen gewesen.
Zwischen den Wendeleisten ist auch der sog. “Steert” befestigt. Dies ist ein etwa 13 m langer Holzbalken, der an der Eingangsseite aus dem Mühlenkasten herausragt und als Hebel zum in-den-Wind-Drehen des Mühlenkastens dient. Diesen Vorgang bezeichnet man bei Windmühlen allgemein als “Vordrehen”, im niederdeutschen Sprachraum auch aus den Niederlanden übernommen als ‘Kruhen” oder “Kroijen”. Ebenso haben auch die 4 Wände der Mühle Namen. So bezeichnet man die Eingangsseite mit der Tür als “Steertwand”, weil sich hier eben der Steert befindet. Die gegenüberliegende Wand bezeichnet man als “Sturmwand”, befinden sich hier doch die Flügel, die bei einer Bockmühle stets in den Wind gedreht werden müssen. Somit wird bei einer Bockwindmühle auch die Steertwand als “Vorne” bezeichnet, weil man von dort aus die Mühle betritt. Aus dieser Blickrichtung werden auch die Seitenwände in rechte und linke Seitenwand unterschieden. Das Vordrehen der Mühle kann durch reine Muskelkraft durch Schieben von etwa 3 Mann am Steert oder Ziehen durch ein Pferd erfolgen. Ist der Müller alleine, so hat er zum Vordrehen der Mühle eine
Handwinde am Ende des Steertes zur Verfügung. Erstaunlich erscheint es dabei jedesmal, wenn ein einziger Mensch durch Drehen an einer kleinen Kettenwinde den gesamten, etwa 40 Tonnen schweren Koloß der Mühle um seine eigene Achse dreht.
Bockwindmühlen haben in der Regel zwei, in den Niederlanden, in Flandern, in den westlichen und nordwestlichen Teilen Niedersachsens und im nördlichen und nordöstlichen Westfalen häufig auch drei Böden. Der oberste Boden heißt Steinboden, denn trägt er in der Grundkonstruktion der Bockwindmühle den Mahlgang mit den auf dem Hammer aufliegenden Mühlsteinen. Hierüber liegt im Dach der Mühle die Flügelwelle. Diese besteht und bestand in nahezu allen Bockmühlen aus Holz, nur selten wurden eiserne Flügelwellen in Bockmühlen verwendet. Nach außen schaut die Flügelwelle aus der Sturmwand des Mühlenkastens etwas heraus und trägt dort im sog. “Weilkopf’ verankert die Flügel. Dieser Wellkopf war ganz früher ein Teil der hölzernen Flügelwelle, wurde jedoch später in nahezu allen Fällen aufgrund von Alterserscheinungen abgesägt und durch einen eisernen Wellkopf ersetzt. Hölzerne Wellköpfe sind somit heute sehr selten geworden und in Niedersachsen bis auf Ausstellungsstücke nur noch an der Bockwindmühle in Dudensen bei Hannover anzutreffen,
Auf der Flügelwelle ist das große hölzerne Kammrad befestigt, welches zum einen als Hauptantriebsrad für die Mühlentechnik, zum anderen auch als
Bremsscheibe zum Festsetzen der Flügel dient. Dazu jst um etwa 2/3 des
Radkranzes ein Bremsring aus Pappelholzsegmenten ‘oder seltener aus Eisenband gelegt, der mit Hilfe eines Hebels (Bremsbalken) leicht vom Rad
gelüftet oder angezogen werden kann. Das Gewicht des Bremsbalkens zieht
den Bremsring fest an das Rad heran und bremst die Mühle ab.
Das Kammrad selbst ist aus Eichenholz gefertigt und besteht aus einem Radkranz mit Zähnen (Kämmen) darin und einer Anzahl von Speichen, mit
denen es auf der Flügelwelle befestigt ist. Das Kammrad hat in der Bockmühle einen Durchmesser, der zwischen etwa 2,60 und 4 m liegt.
Das Kammrad treibt nun in der Urform der Bockmühlen direkt über ein kleines Stockrad die Spindel des Mahlganges an. Ein Stockrad besteht aus zwei übereinanderliegenden Holzscheiben, zwischen denen senkrechte runde Holzstäbe angeordnet sind, zwischen die das Kammrad mit seinen Kämmen greift.
Auf dem darunterliegenden Boden wurde das Schrat oder Mehl über ein Holzrohr in Säcken aufgefangen, deshalb heißt dieser Boden Absackboden oder Mehlboden.
Die ursprüngliche Bockmühle beinhaltet also nur einen Mahlgang. In späteren Zeiten wurden die Bockmühlen in einigen Regionen stark modernisiert und mit mehreren Gängen versehen. 2- und 3-gängige Bockmühlen kamen in Niedersachsen somit häufig vor. Dazu mußte dann natürlich das Mühlengetriebe erweitert werden. Von der inzwischen bekannten Holländermühle hatte man bald auch das 2-stufige Getriebe mit der sog. “Königswelle” in manche Bockmühle übernommen. Nun konnte man über ein liegendes Stirnrad mehrere Gänge zugleich betreiben. Wollte man auf diese größere Getriebeumrüstung verzichten, ordnete man einfach auf der Flügelwelle ein zweites Kammrad zum Betrieb eines weiteren Ganges an, ein System, was man besonders in Flandern und in Ostdeutschland vorfindet, in letzterer Region sogar mit bis zu 3 Kammrädern.
So wie das Triebwerk, so ist auch die Bauform der Bockmühlen sehr verschieden. So treffen wir z. B. in Flandern auf sehr große, hohe Bockmühlen, während sie in den Niederlanden und im angrenzenden Teil Niedersachsens zwar hoch, aber nur von geringen Grundmaßen sind. Je weiter man nach Osten kommt, desto niedriger werden die Mühlen. Dafür werden die Mühlenkasten an sich immer größer und gedrungener. In den westlichen Gebieten finden wir so Kastengrundmaße von etwa 5 - 5,5 m Länge und 3,5 - 4 m Breite vor, im südöstlichen Teil Niedersachsens liegen die Maße mit etwa 6 x 4,5 m schon höher. Ostdeutsche Bockmühlen haben auffällig große Kästen mit Abmaßen von 6 - 7,5 x 5 - 5,5 m. In der Oberlausitz, im Dreiländereck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien ist die Verkleidung des Mühlenkastens bis zum Erdboden heruntergezogen und trägt dort noch kurz über der Erde einen dritten Boden. Die dortigen Mühlenkästen sind die größten in Deutschland mit Abmaßen von bis zu 8 m Breite und 10 m Länge. Im heutigen Polen finden wir ähnlich konstruierte Bockmühlen vor.
Die Bockwindmühle ist in der Regel eine Getreidemühle, Andere Nutzungen kennen wir z. B. aus Flandern in gewisser Verbreitung als Ölmühle. In Niedersachsen nehmen die Kreide-Bockmühlen in Söhlde (Lk. Hildesheim) eine Sonderstellung ein. Unter den Getreidemühlen unterscheiden wir reine Mahlmühlen, wie sie bei Bockmühlen die Regel waren, und Pellmühlen, in denen Graupen hergestellt wurden. In der nördlichen Region Hannover ist auch bekannt, daß man in Bockmühlen Pellgänge zum Schälen von Buchweizen verwendete. Eine Besonderheit nehmen auch die Bockmühlen im zentralen Polen, im nördlichen Schlesien und in der Niederlausitz ein, von denen manche mit einem Stampfwerk zum Entspelzen von Hirse ausgestattet waren.
Ihre größere Anfälligkeit gegenüber Unwettern und ihr vergleichsweise geringer Rauminhalt hat diesen Mühlentyp in manchen Regionen, besonders im Küstenbereich, nahezu vollständig verdrängt. Die klassischen Bockmühlenregionen sind in den ostdeutschen, teilweise heute polnischen,
Gebieten zu finden gewesen, so in Brandenburg, in Sachsen, in Sachsen-Anhalt, in Thüringen, in Mecklenburg, in Pommern, in Schlesien, in Ost- und Westpreußen und im zentralen Polen. Landstriche, wie etwa die Magdeburger Börde, der Fläming in Brandenburg, die Ober- und Niederlausitz oder die Saaleregion rund um Halle waren übersäht mit Bockwindmühlen, die in Sichtweite zueinander standen. Noch heute stehen dort die meisten erhaltenen Bockmühlen in Deutschland. Im Zentralpolnischen Bereich und im nördlichen Schlesien findet man heute noch Hunderte von Bockmühlen vor, die meisten im sehr schlechten Zustand. Jedes Dorf und jede Stadt war dort von einem Kranz von Bockmühlen umstanden. Der Ort Guhlau in Schlesien wurde einst von
24 (!!) Windmühlen umlagert. Noch heute gibt es dort Ortschaften, die von
Bockmühlenruinen regelrecht eingezäunt werden, so etwa in Zagorow im Kreis Kanin mit 7 Windmühlen.
Die Bockmühlen gehören seit Alters her zum Bild der Landschaft, wir sollten sie als ein großartiges Werk menschlichen Erfindungsgeistes würdigen und versuchen, Umfang zu erhalten.